Der Streit zwischen Nachbarn ist so alt wie die Menschheit selbst. Daher sollten vorausschauende Bauherren ihre Rechte, aber auch Pflichten genau kennen.
Etwa 70 Prozent der Menschen in Deutschland verstehen sich nach einer Umfrage des Marktforschungsinstituts GfK aus dem letzten Jahr gut mit ihren Nachbarn. Das ist schön für sie und erleichtert das Leben ungemein. Bei den restlichen 30 Prozent sieht die Lage jedoch anders aus: Kleiner oder größerer Hader bestimmt ihr alltägliches Miteinander. Rund 9.000 Streitigkeiten unter Nachbarn werden jedes Jahr von deutschen Amtsgerichten entschieden.
Besonders sensibel ist das Thema „Bauen“, denn hier kommt es schnell zu Zwistigkeiten. Welches Mitspracherecht die Nachbarn besitzen bzw. welchen Rechtsschutz sie genießen, hängt dabei entscheidend von der jeweiligen Landesbauordnung ab. Denn das Baugenehmigungsverfahren ist Bestandteil des durch die Bundesländer geregelten Bauordnungsrechts. Daraus resultieren je nach Bundesland erhebliche Unterschiede bezüglich der Nachbarschaftsbeteiligung.
Grundsätzliches
In der Regel sehen die Bauordnungen vor, dass der Nachbar an einem enehmigungspflichtigen Bauvorhaben beteiligt werden muss. Damit erhält er die Gelegenheit, sich zu dem Bauvorhaben zu äußern. Er braucht ihm allerdings nicht zuzustimmen. In vielen Fällen muss der Bauherr aber heutzutage das nachbarliche Einvernehmen nicht mehr einholen, weil laut Landesbauordnungen für die meisten Bauten keine förmlichen Baugenehmigungen mehr nötig sind. Das bedeutet aber nicht, dass die benachbarten Eigentümer ohne Rechte sind. Sie können sich gegen eine störende Bebauung zur Wehr setzen, falls nachbarschützende, öffentlichrechtliche Vorschriften verletzt werden.
Typische Beispiele hierfür sind nicht eingehaltene Abstandsflächen oder wenn sich das Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans nicht in die nähere Umgebung einfügt. In solchen Fällen kann der Nachbar – sofern er unmittelbar Betroffener ist – innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Baugenehmigung Widerspruch bei der zuständigen Baubehörde einlegen. Falls dies nicht fruchtet, kann er vor dem Verwaltungsgericht eine Anfechtungsklage erheben. Vorausgesetzt, er hat bereits im Baugenehmigungsverfahren seine Einwendungen erhoben, und diese wurden von der Baubehörde abgewiesen. In einigen Bundesländern wie zum Beispiel Bayern entfällt das Widerspruchsverfahren, hier muss der Nachbar direkt klagen.
Allerdings darf der Bauherr trotz der nachbarlichen Einwände weiterbauen. Denn sowohl Widerspruch als auch Anfechtungsklage haben laut Baugesetzbuch (BauGB) keine aufschiebende Wirkung. Darf der Bauherr auch ohne Baugenehmigung loslegen, kann der Nachbar die ungeliebte Baumaßnahme hingegen nicht unmittelbar durch Widerspruch anfechten. Denn im Gegensatz zur Baugenehmigung hat die Verwaltung nicht über die Zulässigkeit des Vorhabens entschieden. In eiligen Fällen kann der Nachbar durch einen einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz bewirken, dass die Baubehörde verpflichtet wird, den Baubeginn zu untersagen oder die Bauarbeiten einzustellen.
Im Grenzbereich
Im Grunde stößt alles, was nah oder direkt an der Grundstücksgrenze passiert, auf nachbarlichen Argwohn. Verantwortlich für gereizte Nerven sind beispielsweise An- oder Umbauten sowie der Bau eines Gartenhauses oder einer Garage im Grenzbereich. Zwar regeln Landesbauordnungen und kommunale Bebauungspläne auch hier, wie der Angrenzer vorgehen darf, trotzdem kommt es immer wieder zum „Überbau“. Unter bestimmten Umständen muss der Anrainer diesen sogar dulden, damit nicht unnötig Werte vernichtet werden. Im Gegenzug erhält er dafür jedoch eine „Überbaurente“, die allerdings meist gering ausfällt. Geregelt ist dies im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), einer wichtigen Rechtsquelle des Nachbarschaftsrechts.
Der Zoff am Zaun hat besonders in dicht besiedelten Gegenden ganzjährig Saison: Im Frühjahr und Sommer röhrt der Rasenmäher, die Wäsche schockiert auf der Leine und der Grill von nebenan stinkt zum Himmel. Im Herbst wiederum qualmen die Kamine, stören die Laubbläser, fallen die Blätter und mit ihnen böse Worte zwischen den Nachbarn. „Weil die Wohngrundstücke immer kleiner werden und sich die Grundstücksgestaltung gewandelt hat, kommt es immer häufiger zu Nachbarschaftsstreitigkeiten. Heutzutage werden Hof und Garten wie ein verlängertes Wohnzimmer behandelt, da stört schon Nachbars Katze oder herübergewehtes Laub“, so Holger Becker, Sprecher des Verbands Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN).
Er empfiehlt daher beim Eigenheimerwerb, nicht an der Grundstücksgröße zu sparen. Auch aus Sicht von Kai Warnecke, dem stellvertretenden Generalsekretär von Haus & Grund Deutschland, sind es in aller Regel Kleinigkeiten wie Pflanzenüberwuchs, Grenzabstände und Einfriedungen, die zu Nachbarschaftsstreitigkeiten führen. „Diese sind häufig nur der Anlass. Ursache ist meist ein schon länger gestörtes Nachbarschaftsverhältnis“, so der Jurist.
„Erste Hilfe“ bei Nachbarschatsstreit
Droht Streit mit den Nachbarn, können Sie hier Informationen und Unterstützung erhalten.
• Bund deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e. V. (BDS): www.schiedsstellen.de; www.schiedsamt.de
• Bundesverband Mediation e. V.: www.bmev.de
• Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer: www.hausundgrund.de
• Verband Deutscher Grundstücksnutzer e. V.: www.vdgn.de